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AG Reproduktionsmedizin
Kryokonservierung (Einfrieren und Auftauen) eines ganzen Eierstocks mit Blutgefäßen
Aufgrund der zunehmenden Wirksamkeit der onkologischen Behandlungen und der guten Langzeitprognose überleben immer mehr Patientinnen die Krebserkrankung und können ein normales Leben führen. Dazu gehört auch die Erfüllung des Kinderwunschs. Da eine Chemotherapie – je nach gewähltem Therapieschema – toxisch sein kann, ist eventuell mit einer irreversiblen Einschränkung oder einem vollständigen Verlust der ovariellen Reserve zu rechnen.
Eine viel versprechende Methode zur Bewahrung der Fertilität bei Frauen ist das Einfrieren des Ovarialgewebes. Ist die Krebserkrankung überstanden, wird es aufgetaut und wieder eingesetzt. Bis heute wurden weltweit einige Dutzend Geburten nach einer Rück-Transplantation von kryokonserviertem Ovarialgewebegewebe notiert.
In Deutschland kam es in Jahr 2011 zu einer ersten Geburt nach Retransplantation von eingefrorenem Eierstockgewebe. Die Methode zum Einfrieren des Gewebes wurde von Mitarbeitern der Uniklinik Köln (Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe) seit Mai 2000 entwickelt.
Das Einfrieren des Ovarialgewebes in Form eines ganzen Ovars mit all seinen Blutgefäßen, ist im Vergleich zum Einfrieren von Fragmenten des Ovarialgewebes ein großer Fortschritt. Gleichzeitig ist das Einfrieren eines ganzen Ovars, ein viel komplexeres Verfahren. Es gibt drei Hauptschwierigkeiten bei der Kryokonservierung eines ganzen Ovars mit Blutgefäßen:
- Die Komplexität der Anreicherung des Gewebes mit permeablen Kryoprotektoren durch Perfusion, wächst exponentiell mit der Größe des Gewebestückes.
- Ein schnelles und gleichmäßiges Auftauen eines großen Gewebevolumens ist eine technische Herausforderung.
- Die (mikro-)chirurgische Verbindung von Venen und Arterien nach der Retransplantation von Ovarien erfordert eine hohe chirurgische Expertise.
Unsere Experimente sind auf die Entwicklung der Methoden des Einfrierens und Auftauens eines ganzen Ovars mit Gefäßstiel gerichtet.
Auch die Technologie, bei der erstmals keine Kryoprotektoren zur Vitrifikation (Einfrieren durch direktes Eintauchen in flüssigen Stickstoff) von menschlichen Spermien verwendet werden müssen, wurde durch unser Team entwickelt. Die Vitrifikation von Spermien ist bei bestehendem Kinderwunsch vor einer Chemo- oder Strahlentherapie notwendig, weil diese Behandlungen das Hodengewebe schädigen und zur Unfruchtbarkeit führen können. Hinzu kommt eine eventuell schon vor der Chemo- oder Strahltherapie verminderte Spermienqualität.
Zum Einfrieren von Spermien verschiedener Säugetieren-Arten einschließlich des Menschen wird derzeit folgendes Schema verwendet: Zellen (Spermien) + permeable Kryoprotektoren (zum Beispiel Glyzerin) + Kälte (-196°C, flüssiger Stickstoff) = Gefrorene Spermien
Permeable Kryoprotektoren haben jedoch zwei Nachteile
- Sie sind toxisch für die eingefrorenen Zellen.
- Eingefrorene Zellen können nicht lyofilisiert (gefriergetrocknet) und dann bei Zimmertemperatur gelagert werden, da sich die permeablen Kryoprotektoren durch den Trocknungsvorgang nicht entfernen lassen.
Dagegen hat die Vitrifikation ohne Kryoprotektoren die Vorteile
- Weniger toxische Schädigungen der gefrorenen Zellen.
- Gefrorene Spermien können in Form von Pulver oder Tabletten bei Zimmertemperatur gelagert werden.
Die Technologie liefert viel bessere Ergebnisse als das traditionelle Einfrieren mit permeablen Kryoprotektoren. Die Effektivität und Zuverlässigkeit unserer Technologie wurde durch Geburten nach intrauteriner Insemination und intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) bewiesen
Publikationen
Zur Beurteilung der Effektivität und Effizienz der Kryokonservierungsprotokolle von Ovarialgewebe nach dem Auftauen sind bisher zwei Methoden etabliert
- die Xenotransplantation in SCID Mäuse
- die In-vitro-Kultur in einem großen Mediumvolumen unter permanenter mechanischer Bewegung.
Die Nachteile dieser Methoden sind ethische Bedenken bei Tierversuchen sowie hohe Kosten und technische Schwierigkeiten bei der In-vitro-Kultivierung von großen Gewebestücken.
Eine alternative Methode bietet das Chorioallantoismembran-(CAM)-Kultursystem, das zur In-vivo-Kultivierung geeignet ist.
Da ein befruchtetes Ei einige Zeit nach der Befruchtung in der Entwicklungsphase kein Immunsystem besitzt kann während dieser Zeit ein Stück des menschlichen Eierstockgewebes in dieses Ei transplantiert werden. Sofort nach der Transplantation tritt das Eierstockgewebe in einen chemischen „Dialog“ (mittels sogenannter Interferonen) mit dem Organismus des Eis. Das Ei erkennt das Fremdgewebe als Eigenes und versorgt es mit Nährstoffen. Dazu bildet es Blutgefäße und umhüllt das menschliche Eierstockgewebe damit.
Wir verwenden diesen Effekt für unsere Arbeit um eine optimale Kultivierung des menschlichen Ovarialgewebes zu gewährleisten.
Publikationen
Dieses Projekt wurde zuerst als folgende einfache Frage formuliert: Welche Bedingungen bei der Kultivierung von Eizellen und Embryonen im Labor (in vitro) fehlen im Vergleich zum Reifen im menschlichen Körper (in vivo)?
Bei der Kultivierung der Zellen im Brutschrank in Kulturlösungen sind die Bedingungen maximal an die im menschlichen Organismus angepasst. So entsprechen die Konzentration des Kohlenstoffdioxids, das Medium (welches nahezu identisch mit dem Medium im Eileiter ist) und dessen pH-Wert, die Temperatur und weitere Parameter weitgehend denen im menschlichen Körper. Eine Bedingung ist jedoch nicht erfüllt. Es ist die sehr feine permanente Bewegung (Vibration).
Vibration ist ein natürliches Phänomen, welches alle Prozesse im Organismus begleitet. Alle Zellen unseres Körpers befinden sich in einer ständigen Vibration. Gleich nach der Ovulation gerät die Eizelle auf das vibrierende mit 5 – 6 Hz Epithelium des Eileiters. Woher entsteht diese Vibration? Diese Vibration wird durch die auf dem Epithelium befindlichen „Härchen“ (Zilien) erzeugt. Natürlich fehlt diese Bewegung, wenn die Eizellen/ Embryonen sich im Brutschrank, also außerhalb des Körpers befinden.
Die ständige Vibration gewährleistet nicht nur eine bessere Durchmischung des Kulturmediums und somit eine Erhöhung der Nährstoffzufuhr sowie die Verringerung der Konzentration von Metaboliten um Eizelle bzw. Embryo - die Wirkung ist wesentlich komplexer und weitreichender. Einer der möglichen weiteren Effekte der Vibration, ist die Verbesserung des Kalzium-Kaskaden-Mechanismus und somit der Signalübermittlung als einer wesentlichen Bedingung zur Entwicklung der Zelle und damit des späteren Menschen.
In der Uniklinik Köln forschen wir an einem Gerät, welches die Vibration im Eileiter auf die bestmögliche Weise imitieren soll.
Publikationen
- Prof. Dr. med. Karl Sterzik, Dr. rer. nat. Robert Mättner, Praxisklinik Frauenstrasse, Ulm
- Prof. Dr. med. Raul Sanchez Gutierrez, Prof. Dr. Jennie Risopatron, Zentrum für Biomedizinische Technologien und Universitätsfrauenklinik La Frontera, Temuco, Chile
- Prof. Dr. rer. nat. Michael Bader, Dr. rer. nat. Alexander Krivokharchenko, Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, Berlin
- Dr. vet. med. Maria Dattena, Landwirtschaftliches Forschungscentrum Sardinien, Sassari, Italien
- Prof. Dr. med. Saltanat Baikoshkarova, Praxiskliniken in Almaty und Astana, Kazachstan
- Prof. Dr. med. Jürgen Weiss, Luzerner Kantonsspital, Luzern, Schweiz
- Dr. med. Joseph Dimitrov, Dr. Plamen Todorov, In Vitro OB Medical Center, Bulgarien
- „Human ovarian tissue vitrification versus conventional freezing: morphological, endocrinological, and molecular biological evaluation“
- Eine Kryobank für humanes Ovarialgewebe: Konzept und Perspektiven
- First live birth in germany after re-transplantation of cryopreserved ovarian tissue: original device for initiation of ice formation